Wie das Feedbook adaptiven Unterricht zur Realität machen will.
Titel der Studie: AI2Teach - Individuelle Förderung auf der Basis eines erweiterte digitalen Lehr-Lern-Konzepts für den Fremdsprachenunterricht
Laufzeit: 01.06.2020 - 31.05.2026
Lehrkräfte sehen sich in ihrem Unterricht oft mit verschiedenen Ansprüchen konfrontiert, denen sie - allein aus Zeitgründen – oft nicht in der Lage sind zu entsprechen. So haben viele Lehrkräfte den Anspruch, auf jede Schülerin und jeden Schüler individuell einzugehen, ihr oder ihm eine individuelle Rückmeldung zur erbrachten Leistung zu geben und so auch die Motivation für das eigene Fach zu steigern. Wie können intelligente Tutorsysteme (ITS) die Lehrkräfte darin unterstützen?
Mithilfe des FeedBooks, das von 2016 bis 2019 unter der Leitung von Prof. Dr. Detmar Meurers an der Universität Tübingen entwickelt wurde, werden Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse im gymnasialen Englischunterricht gezielt beim Lernen unterstützt, motiviert und gefördert.
Dieser digitale Support hat, ersten Ergebnissen zufolge, ähnlich positive Effekte wie die persönliche Unterstützung durch eine Lehrkraft. Zugleich helfen die in diesem Kontext produzierten Daten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei, zu neuen Forschungserkenntnissen zu gelangen und das FeedBook stetig zu verbessern.
Im Rahmen des Projekts AI2Teach soll das FeedBook nun weiterentwickelt sowie ein Lehrer-Dashboard implementiert werden. Darüber hinaus sollen ab Januar 2024 zahlreiche Lehrkräfte eine Fortbildung zu den Themenschwerpunkten Unterrichtsqualität, Zweitspracherwerbsforschung und Digitalisierung im Fachunterricht erhalten, begleitet von einer wissenschaftlichen Studie.
Hintergrund
Verschiedene Zeit- und Grammatikformen, Vokabeln, Aussprache – und dann auch noch diese ganzen unregelmäßige Verben: Das Erlernen der englischen Sprache stellt viele Kinder und Jugendliche vor große Herausforderungen. Dabei lassen sich im Fremdsprachunterricht schnell große Fortschritte erzielen – vor allem, wenn Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernprozess begleitet werden und regelmäßig Feedback und motivationale Unterstützung erhalten.
Die individuelle Betreuung eines jeden einzelnen Lernenden ist für Lehrkräfte nicht realisierbar. Auf die charakteristischen Besonderheiten der Schülerinnen und Schüler kann nicht immer Rücksicht genommen werden. Dabei gilt genau dieser Ansatz – auch adaptives Unterrichten (adaptive teaching) genannt – als erfolgsversprechend. Da jedes Kind und jeder Jugendliche in seinen Begabungen und Interessen einzigartig ist, sollte auch der Lernprozess auf die jeweiligen Individuen angepasst werden
Englische Vokabeln liegen Maximilian zum Beispiel besonders gut. Schwierigkeiten hat er hingegen mit der Grammatik. Bei seiner Sitznachbarin Aida ist es genau umgekehrt. Anstatt den beiden nun denselben Unterrichtsstoff vorzulegen, könnten sie – im Sinne des adaptiven Unterrichtens – individuell gestaltete und auf ihr Leistungsniveau abgestimmte Aufgaben bearbeiten, die darauf abzielen, ihre Stärken zu fördern und ihre Schwächen sukzessive abzubauen.
Durch intelligente Tutorsysteme wie das FeedBook wird adaptiver Unterricht mehr und mehr zur Realität in deutschen Klassenzimmern. Daher ist es enorm wichtig, dass Lehrkräfte den hilfreichen Umgang mit digitalen Lernunterstützern gezeigt bekommen. So profitieren nicht nur Schüler wie Maximilian und Schülerinnen wie Aida von FeedBook und Co., sondern auch die Lehrkräfte selbst.
Das Projekt
AI2Teach untergliedert sich in drei Teilprojekte, deren Ziele sowohl die Weiterentwicklung des FeedBooks als auch die Fortbildung von Lehrkräften sind.
Im ersten Teilprojekt geht es um die technische und inhaltliche Weiterentwicklung des FeedBooks, sowie der Adaptivität des Systems, um für die Schülerinnen und Schüler eine systematische Bearbeitung der neu generierten Übungsaufgaben bereit zu stellen.
„An diesem Teilprojekt arbeiten die Computerlinguisten unseres Teams“, erklärt Julia Schmidt-Peterson, die für die Koordination von AI2Teach zuständig ist. „Es wird der Frage nachgegangen, wie den Lernenden eine passgenaue Förderung angeboten und die Auswahl der jeweils nächsten Aufgaben an das Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler angepasst werden kann.“
Das zweite Teilprojekt befasst sich mit der Schnittstelle zwischen der Lehrkraft und den Lernenden. Ziel ist die Förderung von individueller Diagnostik und der zusammenfassenden Interpretation des Lernfortschritts sowie der Lernschwierigkeiten in der Klasse, was in den innovativen Bereich der learning analytics fällt.
„Wir möchten, dass Lehrkräfte ein schnelles Verständnis darüber bekommen, wo es bei ihren einzelnen Schülerinnen und Schülern gerade hakt.", sagt Schmidt-Peterson, die neben ihrer Arbeit am Hector-Institut auch selbst als Englischlehrerin an einem Gymnasium tätig ist.
Über das Lehrer-Dashboard erkennt die Lehrkraft genau die individuellen Stärken der Kinder und Jugendlichen und sieht auch gleich die Bereiche, in denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Unterrichtsstunden können hierauf abgestimmt geplant werden.
„Wenn ich zum Beispiel anhand fehlerhafter Lösungen sehe, dass ein großer Teil der Klasse den korrekten Umgang mit einer spezifischen Zeitform noch nicht erlernt hat, kann ich diese in der nächsten Unterrichtsstunde nochmals intensiv wiederholen.“, so Schmidt-Peterson.
Neben der Weiterentwicklung des FeedBooks ist auch die Fortbildung von Lehrkräften zu den Themenschwerpunkten Unterrichtsqualität, Zweitspracherwerbsforschung und Digitalisierung im Fachunterricht ein zentraler Bestandteil von AI2Teach.
Die Teilnehmenden dieses Weiterbildungsangebotes erhalten neueste Erkenntnisse aus der Bildungsforschung zu effektivem Unterricht, in Verknüpfung mit den drei Basisdimensionen von Unterrichtsqualität. Dazu zählen etwa die kognitive Aktivierung von Schülerinnen und Schülern, ein Überblick über das Unterrichtsgeschehen im Klassenzimmer (Classroom-Management), sowie die konstruktive Unterstützung der Lernenden. Darüber hinaus erhalten die Lehrkräfte Einblicke in die neuesten Befunde der Zweitspracherwerbsforschung.
Im Mittelpunkt dieser Fortbildung steht auch der professionelle und zielführende Umgang mit digitalen Lernhelfern wie dem FeedBook, sowie die Reflexion deren Chancen und Grenzen. Die Lehrkräfte werden im Umgang mit diesen Tools geschult und erhalten die Gelegenheit, das FeedBook gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern anhand einer Unterrichtseinheit in der Praxis auszuprobieren.
Bis Mitte Mai 2023 lief die Testphase dieses Fortbildungsangebots, an der zehn Lehrkräfte, die Englisch in der sechsten, siebten oder achten Jahrgangsstufe eines Gymnasiums unterrichten, teilgenommen haben. Nach der Evaluation dieser Pilotierung sind ab sofort weitere Lehrkräfte dazu eingeladen, sich für eine Teilnahme am Fortbildungsprogramm im Rahmen des Projekts AI2Teach anzumelden.
Für weitere Informationen zum Studienbeginn im Januar 2024 schreiben Sie bitte gerne eine E-Mail an julia.schmidt-peterson@uni-tuebingen.de.
Ziel
Das Projekt AI2Teach verfolgt primär zwei Ziele, die einander ergänzen:
Einerseits soll mithilfe des verbesserten, adaptiven FeedBooks zukünftig ein noch passgenauerer Englischunterricht in der siebten Jahrgangsstufe des Gymnasiums ermöglicht werden.
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz erleichtert es Lehrkräften, mithilfe des Dashboards die Lernfortschritte der einzelnen Schülerinnen und Schüler im Auge zu behalten und damit individuelle Stärken zu fördern und Schwächen aufzufangen. Die Einbettung in die Fortbildung ermöglicht einen nachhaltigen und reflektierten Umgang bezüglich der Unterstützung des Unterrichtsgeschehens durch intelligente Tutorsysteme.
Zugleich werden über die Nutzung des FeedBooks pseudonymisierte Daten generiert, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Hector-Instituts für zukünftige Forschungsprojekte in der Bildungsforschung nutzen können.
Schlussendlich profitieren Forschende, Lehrkräfte und Lernende gleichermaßen vom Projekt AI2Teach.