Studie

Wenig genutzt trotz großem Potenzial: Unterrichtsevaluationen von Schülerinnen und Schülern

Titel der Studie: Informativ und doch wenig genutzt: Schülerfeedback zur Unterrichtsqualität

 

Laufzeit: seit Januar 2023

Studien, Forschung

Regelmäßiges Feedback zu erhalten, hilft uns dabei, unsere Arbeit zu verbessern. Dies gilt auch für Lehrkräfte, die von regelmäßigen Evaluationen von Seiten ihrer Schülerinnen und Schüler profitieren.

Vielen Kindern und Jugendlichen gelingt es Studien zufolge auch außerordentlich gut, die Unterrichtsqualität ihrer Lehrerinnen und Lehrer einzuschätzen. Doch leider nutzt ein Großteil der Lehrkräfte in Deutschland Rückmeldungen zur Unterrichtsqualität von Seiten der Lernenden nur vereinzelt oder unsystematisch.

Dr. Ann-Kathrin Jaekel vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung sieht im Feedback von Schülerinnen und Schülern zur Qualität des von ihnen erlebten Unterrichts großes Potenzial. Wird ebenjenes ernst genommen, könnte sich der Schulunterricht in vielen Bereichen verbessern.

Für ihre Studie untersucht sie deshalb, inwiefern sich Lehrkräfte Feedback von ihren Schülerinnen und Schülern einholen. In einem Workshop sollen Lehrerinnen und Lehrer anschließend für den Nutzen dieser Art von Unterrichtsevaluierung sensibilisiert werden.

Hintergrund

Marie kennt ihre Lehrerinnen und Lehrer bestens. Viele von ihnen begleiten die Neuntklässlerin ja bereits seit vielen Jahren. Sie kennt die Art und Weise, wie ihre Lehrkräfte unterrichten, weiß, worauf sie wertlegen – und auch, in welchen Momenten sie ihre mal mehr und mal weniger lustigen Witze erzählen.

Kurzum: Marie könnte ihren Lehrerinnen und Lehrern ein ziemlich detailliertes Feedback darüber geben, wie sie die Qualität der Lehrmethoden und der Unterrichtsgestaltung empfindet. Welche Aspekte sind für Marie positiv? Wo gibt es Verbesserungspotenzial?

Die Lehrkräfte könnten von Maries Anregungen profitieren. Nur leider ist die Meinung der Schülerin viel zu selten gefragt. Ein Großteil ihrer Lehrerinnen und Lehrer holt sich nämlich keine Unterrichtsevaluation ein. Jene, die es tun, machen dies häufig eher unsystematisch.

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Studien legen Nahe, dass Schülerinnen und Schüler Unterrichtsqualität sehr fundiert bewerten können. Trotzdem sind ihre Meinungen nur selten gefragt.

Der Zustand an Maries Schule spiegelt die bundesdeutsche Realität wider. Viele Lehrerinnen und Lehrer greifen entweder gar nicht oder nur unzureichend auf Feedback von Schülerinnen und Schülern zurück. Dabei ist dies die einfachste Form der Unterrichtsevaluierung – mit großem Potenzial.

„Lehrkräfte sind an deutschen Schulen nicht dazu verpflichtet, sich Feedback von ihren Schülerinnen und Schülern einzuholen.“, erklärt Jaekel. „Daher gibt es auch wenig Systematik, beispielsweise in Bezug auf die Erhebungsinstrumente oder den Umgang mit den Ergebnissen.“

Die Bildungsforscherin merkt allerdings an, dass allmählich ein Umdenken stattfindet:

„Einige Bundesländer erkennen mittlerweile den Nutzen systematischer Unterrichtsevaluierungen von Schülerinnen und Schülern für die Unterrichtsqualität.“, so Jaekel weiter.

Deshalb sei es wichtig, sich eine Wissensgrundlage über diesen Themenbereich zu erarbeiten.

Methodik und Vorgehensweise

Zu Beginn der Studie werden Lehrerinnen und dazu befragt, ob – und wenn ja, in welcher Form – sie das Feedback ihrer Schülerinnen und Schüler für die Verbesserung ihres Unterrichts nutzen.

Bei jenen Lehrkräften, die sich Unterrichtsevaluationen einholen, ist es zunächst interessant herauszufinden, mit welchen Erhebungsinstrumenten sie dies tun. Hierfür gibt es laut Ann-Kathrin Jaekel eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten: Von Fragebögen mit offenen und geschlossenen Fragen oder ankreuzbaren Smileys, bis hin zu mündlichen Besprechungen und Handzeichen.

Darüber hinaus ist es für die Forscherinnen und Forscher relevant, wie die Lehrkräfte mit dem Feedback umgehen. Besprechen sie die Ergebnisse etwa mit ihren Schülerinnen und Schülern oder mit Personen aus dem Kollegium, um zu eruieren, wie man Verbesserungsvorschläge umsetzen kann?

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Ob Frage- und Ankreuzbögen oder mündliche Abfragen: Die Bandbreite an Evaluationswerkzeugen ist groß.

Jene Lehrkräfte, die sich kein Feedback von Schülerinnen und Schülern einholen, sind für Ann-Kathrin Jaekel nicht weniger von Bedeutung. In diesen Fällen interessiert vor allem, was die Lehrerinnen und Lehrer hindert: Mangelnde Zeit oder Ressourcen? Eine negative Haltung gegenüber Unterrichtsevaluationen von Seiten der Schülerinnen und Schüler? Die Gründe können vielfältig sein.

Nachdem diese erste Phase der Datenerhebung abgeschlossen ist, sollen die Lehrkräfte eine Fortbildung zu den Themenfeldern Unterrichtsqualität und Unterrichtsevaluation erhalten.

Einige Wochen später werden jene Lehrerinnen und Lehrer, die an dieser Weiterbildung teilgenommen haben, nochmals zu ihrem Umgang mit Unterrichtsfeedback befragt – ebenso wie ihre Schülerinnen und Schüler. Dadurch soll ermittelt werden, inwieweit die Lehrkräfte die Inhalte des Workshops umgesetzt haben.

Auf Grundlage all dieser erhobenen Daten, wird Ann-Kathrin Jaekel ab Ende 2023 eine Folgestudie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) und Dr. Sebastian Röhl (Uni Tübingen) starten. Die Ziele dieses Projekts werden kongruent zu jenen der aktuellen Studie sein. Dank einer größer angelegten Datenerhebung werden sich daraus aber noch aussagekräftigere Ergebnisse ableiten lassen als zuvor.

Ziel

Nach Abschluss dieser beiden Forschungsprojekte, bleibt vor allem eines: Eine ganze Menge produzierter Daten, die Aufschluss über die Einstellungen und den Umgang von Lehrkräften mit dem Unterrichtsfeedback ihrer Schülerinnen und Schüler geben.

Da die Eindrücke der Kinder und Jugendlichen ebenfalls abgefragt werden, ist es außerdem möglich zu ermitteln, inwieweit es den Lehrkräften gelungen ist, auf das Feedback ihrer Schülerinnen und Schüler zu reagieren und Unterrichtsanpassungen vorzunehmen.

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Sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte könnten vom gemeinsamen Austausch über die Gestaltung des Unterrichts profitieren.

Diese Fülle an neuen Erkenntnissen soll als Grundlage dienen, auf die sich die Bildungspolitik zukünftig stützen kann. Ziel ist es, die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger vom Nutzen der Unterrichtsevaluation zu überzeugen.

Gelingt dies, so könnte das regelmäßige Einholen von Feedback von Seiten der Lernenden an Schulen eines Tages zur Pflicht werden, so wie das an Hochschulen bereits der Fall ist. Zumindest aber könnten die Forschungserkenntnisse dazu beitragen, dass Lehrerinnen und Lehrer stärken für den Nutzen der Unterrichtsevaluation sensibilisiert werden.

Studienverantwortliche

Dr. Ann-Kathrin Jaekel

Ann-Kathrin Jaekel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung und Mitglied des LEAD Graduate School & Research Network.

Zu ihren Forschungsinteressen zählen die Analysen von Schülerurteilen zur Erfassung von Unterrichtsqualität, Qualitätsmerkmalen in Erklärvideos, Unterrichtsqualität im Distanzunterricht während der COVID-19-Pandemie, sowie von Heterogenität und digitalen Medien.

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