Mobbing und Hate-Speech machen auch vor Schulen keinen Halt. Wie können wirksame Mobbing-Präventionsprogramme an Schulen aussehen? Sieben Schlüsselfaktoren sollen Mobbing reduzieren.
Schulen sollen die heranwachsenden Generationen darauf vorbereiten, als verantwortungsvolle und leistungsfähige Bürger an der Gesellschaft teilzuhaben. Dafür müssen sie eine motivierende und sichere Lernumgebung zur Verfügung stellen, die sowohl das Lernen als auch das soziale, emotionale und gesellschaftliche Miteinander fördert. Mobbing stellt hierfür eine beträchtliche Gefahr dar. Jüngste Langzeitstudien ergaben, dass eines von sechs Kindern in Deutschland selbst schon Opfer von Mobbing war. Die Folgen dieser Schikane sind beunruhigend: Einsamkeit, Depression, Angst, Schulwechsel, Schulversagen und sogar Selbstmordgedanken. Doch nicht nur die Opfer, sondern, wie aus Studien hervorgeht, auch die Täter und Mitschüler, die Zeugen von Mobbing werden, bekommen die negativen Auswirkungen zu spüren. Als Folge ist fast jeder Schüler von Mobbing an Schulen betroffen.
Anti-Mobbing-Programme bisher nicht mit gewünschtem Erfolg
Angesichts dieser Risiken haben viele Schulen auf der ganzen Welt damit begonnen, Anti-Mobbing-Programme einzuführen. Leider führten viele dieser Programme nicht zum gewünschten Erfolg. Sie konnten aus zweierlei Gründen nicht dazu beitragen, Mobbing an den Schulen deutlich und langanhaltend zu reduzieren: Erstens waren sie nicht danach ausgerichtet, flächendeckend an den Schulen eingesetzt zu werden. Zum Beispiel wurden sie nur angewendet, wenn akute Mobbingfälle auftraten oder es wurden nur diejenigen Schülerinnen und Schüler mit einbezogen, die andere gemobbt hatten, anstatt den Ursachen des Mobbings auf den Grund zu gehen. Zusätzlich konzentrieren sich viele Anti-Mobbing-Programme nur auf bestimmte Schulsituationen wie beispielsweise das Klassenzimmer anstatt auch weitere Situationen mit einzubeziehen, etwa den Schulweg. Ein zweiter wichtiger Grund für das Scheitern vieler Anti-Mobbing-Programme ist, dass sie nicht auf spezifische Anforderungen der Schulgemeinschaft und das jeweilige Lebensumfeld der Schülerinnen und Schüler zugeschnitten sind. Denn eine wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülern wird aufgrund von Vorurteilen gegen Minderheiten und bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie beispielsweise Flüchtlinge schikaniert. Nur sehr wenig Anti-Mobbing-Programme beziehen diese Aspekte mit ein.
Sieben Schlüsselfaktoren für wirksame Mobbing-Präventionsprogramme
Wie sehen wirksame Mobbing-Präventionsprogramme also aus? Um Mobbing an den Schulen zu reduzieren gibt es sieben Schlüsselfaktoren: Ein gutes Schulklima, Daten als Entscheidungsgrundlage, die Einbeziehung aller Akteure, die Förderung von sozialen und emotionalen Kompetenzen bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen, Fortbildungen für das Schulpersonal, die Festlegung von wirksamen Erziehungsmaßnahmen und das Schaffen von Möglichkeiten, um die Jugendlichen an der Gestaltung von Maßnahmen und Regeln zu beteiligen. Im Folgenden werden diese Schlüsselfaktoren näher erläutert:
1. Verbesserung des Schulklimas: Das Schulklima bezieht sich auf “die Qualität und den Charakter des Schullebens”. Die Verbesserung des Schulklimas beinhaltet ein flächendeckendes und systematisches Konzept, eine Schulgemeinschaft zu schaffen, in der sich jeder zugehörig fühlt, Wertschätzung erfährt und geschützt ist. Ein positives Schulklima schafft eine Kultur des gegenseitigen Respekts, die eine Grundlage für den Erfolg von Mobbing-Prävention darstellt.
2. Entscheidungen aufgrund von Fakten treffen: Schulleiter sollten routinemäßig Daten sammeln, wer mobbt oder gemobbt wird, wo und wann das Mobbing stattfindet und aus welchen Gründen. Dazu können sie sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Eltern und das Lehrerkollegium befragen. Nur dann können Strategien entwickelt und Entscheidungen getroffen werden, die nicht willkürlich oder aus dem Bauch heraus entstehen. Diese Daten helfen nicht nur, Probleme aufzudecken, sondern können auch dazu beitragen, Lösungen zu finden, mit denen alle Beteiligten einverstanden sind.
3. Breites Engagement aller Beteiligten: Alle Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Wirkung in der Breite zu erzielen, aber so angelegt sind, dass nur ein paar Wenige sie umsetzen sollen, sind zum Scheitern verurteilt. Deshalb ist es notwendig, dass alle Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und auch Vertreter der Stadt oder Gemeinde gemeinsam und koordiniert mit Schulleiterinnen und Schulleitern zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen, auch wenn jeder eine andere Rolle einnimmt. Jedes Mitglied der Schulgemeinschaft hat ein berechtigtes Interesse an einem erfolgreichen Schulleben und jeder kann einen Beitrag dazu leisten, dieses Ziel zu erreichen.
4. Fördern der sozialen und emotionalen Kompetenzen: Jugendliche benötigen die Unterstützung Erwachsener, um Kompetenzen zu entwickeln, mit denen sie in der sozialen Welt zurechtkommen. In Bezug auf Mobbing sind dies Fähigkeiten, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren, Konflikte mit Gleichaltrigen auszutragen und zu verhandeln und Hilfe zu holen oder selbst einzuschreiten, wenn sie Mobbing beobachten. Weil die Erwachsenen wichtige Vorbilder in der Entwicklung Jugendlicher sind, müssen auch sie über diese Kompetenzen verfügen und sie anwenden. Folglich dienen Programme, die darauf ausgerichtet sind, soziale und emotionale Kompetenzen von allen beteiligten Personengruppen an Schulen zu stärken, als wirkungsvolle Vorbeugung gegen Mobbing.
5. Berufliche Fortbildung für Schulpersonal: Um Mobbing effektiv vorbeugen oder dagegen einschreiten zu können, muss das gesamte Schulpersonal sich abstimmen und einheitlich vorgehen. Berufliche Fortbildungsmaßnahmen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin unterstützen, eine einheitliche Strategie gegen Mobbing zu erarbeiten und zum Beispiel festzulegen, welches Verhalten nicht geduldet wird, Schülerinnen und Schüler zu erkennen, die gemobbt werden oder selbst mobben und Techniken zu entwickeln, um von vorneherein eine gute Gemeinschaft unter den Schülerinnen und Schülern zu schaffen.
6. Wirkungsvolle Maßnahmen festlegen: Jüngste Studien deuten darauf hin, dass Erziehungsmaßnahmen, die auf Bestrafung und Ausschluss setzen, im Falle von Mobbing nicht wirken. Auch wenn die Logik dahinter vernünftig erscheint, schadet diese Null-Toleranz-Politik mehr als dass sie nützt. Deshalb sollten wirksame Erziehungsmaßnahmen sich mehr auf Beziehungen konzentrieren als auf Regeln (restorative discipline). Sie sind deshalb wirksamer, weil sie mobbenden Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit geben, zu verstehen was sie anrichten und es wiedergutzumachen. Gleichzeitig helfen diese Maßnahmen, die sich mehr auf Beziehungen konzentrieren, auch den Mobbing-Opfern, überhaupt gehört zu werden und besser darüber hinwegzukommen, was ihnen angetan wurde.
7.Übertragung von Verantwortung auf die Jugendlichen: Jugendliche haben Ideen, Energie und Begeisterungsfähigkeit, von der jede Verbesserungsmaßnahme an Schulen profitieren kann. Viele Schülerinnen und Schüler messen dem Problem Mobbing große Bedeutung bei und wollen dazu beitragen, etwas dagegen zu tun. Schulen würden davon profitieren, den Jugendlichen untereinander und gemeinsam mit der Schulleitung Möglichkeiten zum Austausch von Gedanken und Lösungsvorschlägen zu bieten. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich stärker einbringen möchten, kann die Schulleitung darin unterstützen, Kampagnen oder eigene Initiativen gegen Mobbing zu entwickeln. Diese Strategie kann sehr wirksam sein, da Teenager und Jugendliche eher auf Gleichaltrige hören als auf Erwachsene.
Wenn diese Punkte beachtet werden, können Schulgemeinschaften eine wirksame und nachhaltige Mobbing-Präventionsstrategie entwickeln. Eine engagierte, respektvolle und sichere Umgebung ist für Kinder und Jugendliche eine wesentliche Grundlage für schulischen Erfolg und Erfolg im Leben!