Unsere Persönlichkeit ist komplex. Brent Roberts, einer der weltweit führenden Persönlichkeitspsychologen, ist ihr seit Jahren auf der Spur. Ein Gespräch darüber, was uns im Leben erfolgreich macht, und den Einfluss von Helikopter-Eltern, einschneidenden Lebensereignissen und Smartphones auf unsere Persönlichkeit.
In der Psychologie wird die Persönlichkeit eines Menschen durch fünf Merkmale beschrieben, die Big Five. Warum wurden genau diese fünf gewählt?
Sie wurden nicht ausgewählt, sondern Daten haben sie für uns gefunden. In den 1930er Jahren hat eine Gruppe von Psychologen alle Adjektive aus dem Wörterbuch extrahiert, die Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale beschreiben – insgesamt mehrere Tausend! Anhand statistischer Methoden wurde diese Liste auf fünf stabile und unterscheidbare Merkmale reduziert. Die Big Five stehen auch immer wieder in der Kritik, aber die bloße Idee eines Einzelnen waren sie nicht.
Welche dieser Persönlichkeitsmerkmale machen einen Menschen im Leben erfolgreich?
Das hängt davon ab, wie man Erfolg definiert. Meint man damit Lebensfreude, dann sind Extraversion und emotionale Stabilität entscheidend. Wenn man an zwischenmenschlichen Erfolg denkt, sind es Extraversion und Verträglichkeit. Und wenn man Erfolg schlicht als Vermeidung von Unglück definiert, dann kommt es auf Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit an. Das Gute an den Big Five ist, dass sie wirklich umfassend sind.
Und welche Persönlichkeitsmerkmale braucht man, um in der Schule erfolgreich zu sein?
Auch hier kommt es darauf an, wie man Erfolg in der Schule definiert. Die meisten denken wahrscheinlich zuerst an Gewissenhaftigkeit, die Eigenschaft, die sie am meisten mit guten Noten verbinden. Erfolg lässt sich in diesem Fall mit Leistungstests messen, was allerdings nicht bei allen Erfolgsfaktoren funktioniert. Wenn man es zum Beispiel nach der Schule schafft, einen Beruf zu haben, den man liebt, obwohl man keine guten Noten hatte, ist man trotzdem erfolgreich, würde ich sagen. Noten und Tests sind nicht die einzigen relevanten Skalen, um Erfolg zu messen.
Ändert sich unsere Persönlichkeit im Laufe der Jahre?
Natürlich tut sie das, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Alter von 10 bis 18 Jahren ist die Persönlichkeit überraschenderweise relativ stabil. Nach der Schule beginnt der systematische Wandel, also mit dem Start in das Berufsleben.
Die Geburt eines Kindes oder der Tod eines nahestehenden Menschen – verändern einschneidende Ereignisse unsere Persönlichkeit?
Die Annahme, dass beispielsweise der Tod eines Angehörigen unsere Persönlichkeit prägt, ist weit verbreitet. Aber das ist falsch. Nicht die Lebensereignisse verändern unsere Persönlichkeit, sondern die Erfahrung, die mit ihnen einhergeht. Wenn jemand zum Beispiel Mutter oder Vater wird, wird die Erfahrung ein Elternteil zu sein von dem jeweiligen Kind bestimmt. Hat jemand ein herausforderndes Kind, das lange Zeit nicht schläft oder viel weint, hat das Auswirkungen. Oder wenn sich jemand um eine kranke Person kümmert und diese stirbt, könnte der Tod sogar eine befreiende Erfahrung gewesen sein. Es kommt ein Veränderungsprozess in Gang, aber das Ereignis ist nur der Anfang.
Heutige Eltern gelten vielfach als Helikopter-Eltern, die ihre Kinder überbehüten. Sind Kinder heute weniger belastbar oder verletzlicher?
Beschwerden, dass Kinder zu sehr verwöhnt werden, gibt es in jeder Generation. Wir müssen uns zwei Dinge ansehen: Erstens gibt es keine Hinweise dafür, dass sich die Persönlichkeit von Kindern im Lauf der Zeit geändert hat. Und zweitens gibt es wenige Indizien dafür, dass das, was Eltern tun, einen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder hat. Studien zeigen: Ob sie streng sind oder nicht, das hat nichts mit der Persönlichkeit zu tun. Deshalb mein Appell an alle Eltern: Keine Sorge, ihr macht das gut!
Was weiß man bisher darüber, wie sich Smartphones und Tablets auf unsere Persönlichkeit auswirken?
Dazu gibt es noch keine Befunde. Was bisher untersucht wurde, sind die Auswirkungen digitaler Medien auf das Wohlbefinden, und die sind sehr gering. Ich würde sagen, wenn Sie zu Ihrem Kind eine gute Beziehung haben – gleich ob ein Handy involviert ist oder nicht – sollten Sie glücklich sein. Das ist viel wichtiger als die Tatsache, ob es ein Handy benutzt. Aber wir brauchen hier sicherlich noch mehr Forschung.
Dieser Artikel erschien zuerst in Bildungshorizonte – Magazin des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung.