Von Eulen und Lerchen

Von Christoph Randler

In wenigen Tagen ist es wieder so weit – die Uhren werden von der Sommerzeit auf die Winterzeit umgestellt. Pünktlich zur Zeitumstellung liest man auch wieder viel zum Einfluss der Uhrzeit auf unser körperliches Wohlbefinden. Dank der US-Amerikaner Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young und ihrer Forschung zur Chronobiologie des Menschen wissen wir heute, dass ein ausgeglichener Schlaf-Wach-Rhythmus von großer Bedeutung für die Gesundheit ist. Erst kürzlich erhielten sie für ihre Arbeit den Nobelpreis für Medizin.

Die Tageszeit spielt jedoch nicht nur für unseren Körper eine wichtige Rolle. Auch für den Bildungsprozesss lassen sich klare Vorhersagen treffen wenn man sich mit der inneren Uhr und den damit verbundenen Unterschieden zwischen Menschen auseinandersetzt. Lange wurde das nicht erkannt und auch heute gibt es in der Bildungsforschung nur wenige Gruppen, die sich mit den Implikationen der Chronobiologie für die Bildungspraxis auseinandersetzen. In der vielzitierten Hattie-Studie gibt es beispielsweise keinerlei Hinweise auf den Einfluss des Schlaf-Wach-Rhythmus auf den Lernerfolg, da es zur Zeit seiner Datensammlung keine Studien dazu gab.

Einfluss der inneren Uhr auf die Schulleistung

Heute gibt es solche Studien und schaut man sich die verfügbaren Daten an, findet man ganz klare Unterschiede zwischen den sogenannten „Lerchen“ auf der einen und den „Eulen“ auf der anderen Seite hinsichtlich ihrer Schul- beziehungsweise Hochschulleistung. Die Aufteilung in Eulen und Lerchen ist übrigens nicht neu – bereits vor 100 Jahren differenzierte man so zwischen Menschen vom Morgen- und Abendtyp. Lerchen stehen bereits früh auf und erreichen schnell ihre „Betriebstemperatur“, sind aber abends dafür schon früh müde. Anders hingegen Eulen: Sie stehen lieber spät auf, brauchen länger bis sie richtig wach sind, können dafür aber abends und nachts lange durchhalten.

Eine Eule, die früh morgens im Unterricht oder in einer Vorlesung sitzen muss, sollte demnach also Schwierigkeiten haben, dem Stoff zu folgen und in Prüfungen schlechter abschneiden als eine Lerche. Und tatsächlich fanden wir in einer unserer Studien eine halbe Note Unterschied zwischen Eulen und Lerchen bei den Abiturprüfungen in Baden-Württemberg. Auch für die Realschule konnten wir in einer anderen Untersuchung generell schlechtere Schulleistungen der Eulen feststellen.

Unter einer durchschnittlichen Schülerschaft dürften von diesem Zusammenhang zwischen Abendorientierung und niedrigerer Leistung sehr viele Schülerinnen und Schüler betroffen sein. In der Pubertät entwickelnd sich Jugendliche nämlich oft rasant von Früh- zu Spätaufstehern. Als Grund hierfür vermutet man hormonelle Ursachen: Männer vom Abendtyp haben höhere Testosteron-Werte, was vermuten lässt, dass das Hormon den biologischen Rhythmus beeinflusst. Geschätzt sind etwa 20% der Jugendlichen extreme Eulen, deren Leistung sehr stark durch einen frühen Schulbeginn beeinträchtigt wird. Weitere 20 bis 30 % dürften immer noch stark in ihrer Leistungsfähigkeit betroffen sein.

Den Unterrichtsbeginn nach hinten verschieben?

Heißt das für die Praxis also, dass der Unterrichtsbeginn umgehend nach hinten verlegt werden sollte? Die große Gruppe der Eulen innerhalb der Schülerschaft würde von einem späteren Schulbeginn, beispielsweise um 9 Uhr, sicherlich profitieren. Wie bei allen größeren Umstellungen im Schulbereich wäre es aber auch hier wichtig, dass ein solches Projekt zunächst einmal umfassend empirisch begleitet wird.

Lediglich Klausuren und Prüfungen später am Tag stattfinden zu lassen, würde den Eulen übrigens vermutlich nicht helfen. Durch den frühen Schulbeginn wären sie nach wie vor erschöpft und würden auch zu einer späteren Uhrzeit schlechtere Noten schreiben als die Lerchen.

Neben einer Umstrukturierung der Unterrichtszeiten gibt es verschiedene Strategien, die Eulen helfen können besser mit dem vielerorts üblichen frühen Unterrichtsbeginn zurechtzukommen. So sind zum Beispiel Licht bei Nacht und elektronische Bildschirmmedien nicht förderlich für einen frühen und gesunden Schlaf. Ein Aufwachlicht das einen Sonnenaufgang simuliert, kann Eulen hingegen helfen morgens leichter aus dem Bett zu kommen. Auch der Schlaf am Wochenende wirkt sich auf den Rhythmus während der Arbeits- bzw. Schulwoche aus. Wenn sich die Schlafenszeiten am Wochenende stark von denen unter der Woche unterscheiden, spricht man von einem sozialen Jetlag: die innere und äußere Uhr driften auseinander und auf Dauer bedeutet das für den Körper viel Stress. Von diesem Phänomen sind bereits Vorschulkinder betroffen.

Über den Autor:

Christoph Randler ist Professor für Didaktik der Biologie an der Universität Tübingen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit den Lehr- und Lernprozessen im Fach Biologie, zumeist, aber nicht ausschließlich, in der Schule.

Zum Weiterlesen:

Randler, C. & Frech, D. (2006). Correlation between morningness–eveningness and final school leaving exams. Biological Rhythm Research, 37(3), 233-239. doi: 10.1080/09291010600645780

Randler, C. & Frech, D. (2009). Young people’s time-of-day preferences affect their school performance. Journal of Youth Studies, 12(6), 653-667. doi: 10.1080/13676260902902697

Randler, C., Ebenhöh, N., Fischer, A., Höchel, S., Schroff, C., Stoll, J. C., & Vollmer, C. (2012). Chronotype but not sleep length is related to salivary testosterone in young adult men. Psychoneuroendocrinology, 37(10), 1740-1744. doi: 10.1016/j.psyneuen.2012.02.008

Verwendete Schlagwörter

Verwandte Beiträge

Blog

Veröffentlicht am

Studie zeigt: Je häufiger Studierende Online-Kurse belegen, desto schneller und effizienter erreichen sie ihren Bachelorabschluss.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Experimente funktionieren nicht nur im Klassenzimmer: Eine neue Studie zeigt, wie Schülerinnen und Schüler auch vor dem Bildschirm experimentieren und ihr Wissen erweitern können.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Die Digitalisierung verändert nicht nur das Lernen an Schulen, sondern auch die empirische Bildungsforschung. Besonders von Vorteil sind dabei virtuelle Realitäten.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Gute Noten in einem Fach beeinflussen, wie Schülerinnen und Schüler andere Fächer bewerten: Neue Erkenntnisse zeigen, welche Faktoren in das Feedback von Schülerinnen und Schülern einfließen.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Beim Schreibenlernen spielt die sogenannte „Phonembewusstheit“ von Lehrkräften eine entscheidende Rolle. Wie gut es um diese Sprachkompetenz in Deutschland bestellt ist, zeigt ein neues Testinstrument.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Das Stichwort Hochbegabung erzeugt in vielen Köpfen das Klischee, Menschen mit einem hohen IQ seien sozial schwierig und emotional labil - aktuelle Forschungserkenntnisse deuten jedoch in eine andere Richtung.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Bildungsforschung praktisch: Das Forschungsdatenzentrum (FDZ) liefert wahre Datens(ch)ätze um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Vergleichsarbeiten bieten Schulleitungen und Lehrkräften die Möglichkeit, Lernprozesse zu verbessern. Voraussetzung dafür ist, dass die Ergebnisse richtig eingeordnet werden.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Was macht eine gute Schulleitung aus? Mit entsprechenden Weiterbildungsangeboten wollen Unis Führungkräfte im Schul- und Bildungsbereich ausbilden und in ihren Kompetenzen unterstützen.

Mehr lesen
Junge mit Kopfhörern sitzt mit einem Stift in der Hand vor einem Computerbildschirm
Blog

Veröffentlicht am

Digitale Lernumgebungen können die kognitive Entwicklung von Schülerinnen und Schülern unterstützen - besonders, wenn sie dabei die Tiefenstrukturen des Lernen berücksichtigen.

Mehr lesen
Ein Kind bedient auf dem Tablet das Lerntool "Scratch"
Blog

Veröffentlicht am

Richtig eingesetzt, lernen Schülerinnen und Schüler mit Lerntools für digitales Storytelling auch spielerisch Kenntnisse im Programmieren.

Mehr lesen
Startbildschirm der App "Twitter"
Blog

Veröffentlicht am

Auf sozialen Plattformen können sich Lehrkräfte mitunter erfolgreicher weiterbilden als in Präsenzveranstaltungen. Worauf es dabei ankommt und was es zu beachten gilt.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

An der Universität Tübingen untersucht ein neues Forschungsprojekt, wie kontextbasierter Physikunterricht den Lernerfolg beeinflusst.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Videospiele machen süchtig, faul und gewalttätig? Neuere Erkenntnisse zeigen: Aus Videospielen lässt sich viel über Motivation lernen.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Ein neues Unterrichtskonzept für das Schulfach Physik knüpft gezielt an die Alltagserfahrungen von Schülerinnen und Schülern an, um ihnen ein besseres Verständnis der elektrischen Spannung und von einfachen Stromkreisen zu ermöglichen.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Mit der Lernapp 'Prosodiya' lernen Grundschülerinnen und Grundschüler ihre Rechtschreibschwäche spielerisch zu überwinden.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Im virtuellen Klassenzimmer überprüft die Bildungsforschung welche Bedigungen eine effektive Lernumgebung ausmachen.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Interview - Wenn begabte und hochbegabte Kinder unter ihren Möglichkeiten bleiben, spricht man in der Psychologie und Pädagogik von „Underachievement“. Untersuchungen gehen davon aus, dass etwa 15 Prozent aller Hochbegabten betroffen sind. Luisa Wottrich gibt Einblicke in die aktuelle Forschung.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

In Deutschland distanziert, in Taiwan freundschaftlich: Die Lehrer-Schüler-Beziehung hat einen Einfluss auf die Motivation im Schulalltag.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Für den Lernerfolg spielt Begabung eine wichtige Rolle. Aber diese ist bei weitem nicht allein entscheidend.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Der Big Fish-Little-Pond-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Schülerinnen und Schüler in einer leistungsschwächeren Klasse ein besseres schulisches Selbstkonzept besitzen - aber ziehen leistungsstarke Schülerinnen und Schüler schwächere Kinder immer mit?

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Interessen haben einen großen Einfluss darauf, was wir in (und aus) unserem Leben machen. Am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung werden Interessen als wichtiger Schlüssel zum Lernerfolg untersucht.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Im Gespräch: Benjamin Fauth über seine Arbeit am Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) und das Verhältnis von Bildungsforschung, Bildungspraxis und Bildungspolitik.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Digitale Medien halten zunehmend Einzug in deutsche Klassenzimmer. Dabei ergibt sich die Frage, wie lernwirksame Medien und Einsatzmöglichkeiten aussehen.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Obwohl sich die Mathematikleistungen von Jungen und Mädchen in der Regel nicht oder nur kaum voneinander unterscheiden, sind Mädchen häufig weniger motiviert für Mathematik als Jungen. Eine Erklärung für diese Unterschiede können unterschiedliche geschlechtsstereotype [...]

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Egal, ob eine Karte gelesen, ein Zimmer umgeräumt oder ein Kofferraum beladen werden soll – für all diese und viele andere Herausforderungen im Alltag wird gutes räumliches Denken benötigt. Ergebnisse aus internationalen Studien deuten sogar darauf hin, dass gutes [...]

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Verantwortungsvolle Schülerinnen und Schüler haben nicht nur bessere Noten, sondern sind auch später im Beruf erfolgreicher und haben ein höheres Einkommen. „Sekundärtugenden“ wie Fleiß oder Verantwortungsgefühl scheinen daher einen erheblichen Einfluss auf das spätere [...]

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Die Meldungen der Empirischen Bildungsforscher aus Tübingen erregen immer wieder Aufmerksamkeit - ein Gespräch mit dem Direktor des Tübinger Hector-Instituts, Ulrich Trautwein.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Wo lernen Schülerinnen und Schüler mehr – in der Schule oder in einem Schülerlabor? Lohnt sich der Aufwand für Lehrkräfte, einen außerschulischen Lernort zu besuchen? Wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse zu diesen Fragen gibt es bisher wenig.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Drei Fragen an Claudia Diehl - In der öffentlichen Debatte um die Integration von Zuwanderern rückte in den letzten Jahren immer mehr die Religion in den Blickpunkt. Besonders der Islam wird als Barriere gesehen, auch für die Integration muslimischer Schülerinnen und Schüler in das [...]

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Mobbing und Hate-Speech machen auch vor Schulen keinen Halt. Wie können wirksame Mobbing-Präventionsprogramme an Schulen aussehen? Sieben Schlüsselfaktoren sollen Mobbing reduzieren.

Mehr lesen
Blog

Veröffentlicht am

Kinder, die in der Schule fleißig, gewissenhaft und leistungsorientiert sind, leben wahrscheinlich länger als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Die Erklärung kann in einem verantworterungsbewussten Lebensstil liegen.

Mehr lesen

Verwandte Veranstaltungen

Bildungskatastrophe: Von der Diagnose zur Lösung

Im Rahmen des Studium Generale an der Universität Tübingen bietet das LEAD Graduate School & Research Network die Vorlesungsreihe Bildungskatastrophe: Von der Diagnose zur Lösung an.

Die Vorlesungen finden jeweils Dienstag, 18 Uhr c. t., im Kupferbau (Hörsaal 25) der Universität Tübingen statt.

Das Programm

Bildungshorizonte: Befunde aus der Bildungsforschung – verständlich und kompakt.

Das Magazin Bildungshorizonte erscheint einmal im Jahr und berichtet kurz und prägnant über aktuelle Ergebnisse aus der Bildungsforschung in der Regel mit einem Themenschwerpunkt.

Magazine erkunden