Hinter dem Begriff Deeper Learning steht ein vielseitiges Konzept, das Schülerinnen und Schülern dabei helfen soll, Fähigkeiten zu entwickeln, die sie benötigen, um sich in einer immer komplexeren Welt zurechtzufinden. So sind es vor allem Fertigkeiten wie Problemlösen, Kreativität und Sozialkompetenz, auf die es in einer schnellen, vernetzten und digitalen Arbeitswelt in Zukunft ankommen wird. Die Heidelberger Bildungsforscherin Anne Sliwka hat deshalb gemeinsam mit der Juniorprofessorin Dr. Britta Klopsch (KIT) und Janina Beigel die Deeper Learning Initiative gegründet. Ziel dieses Innovationszentrums an der Universität Heidelberg ist die Erarbeitung eines Lehrkonzepts, das Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen unserer Zeit vorbereiten soll. „Diese Fähigkeiten sorgen zudem dafür, dass Lernende ein Gefühl von Selbstbestimmung, Zufriedenheit und sozialer Zugehörigkeit gewinnen“, erklärt Anne Sliwka.
Laut der Professorin, die zu Schul- und Schulsystementwicklung in internationaler-vergleichender Perspektive forscht und lehrt, leisten Schulen in Deutschland bislang zu wenig, um diese Kompetenzen bei ihren Schülerinnen und Schülern zu fördern. Dass dies auch anders geht, zeigt ein Blick ins Ausland: in Ländern wie den USA, Kanada, Singapur, Australien und Neuseeland wird der Ansatz des Deeper Learning an vielen Schulen bereits erfolgreich umgesetzt.
In diesen Einrichtungen, deren Lernkonzepte als Inspiration für den von Anne Sliwka entwickelten Ansatz des Deeper Learning dienen, durchlaufen die Schülerinnen und Schüler einen dreistufigen Prozess. In der ersten Phase führt sie eine Lehrkraft in das zu behandelnde Thema ein. Ebenjenes wird von allen Seiten beleuchtet, so dass die Kinder und Jugendlichen über ein solides Wissensfundament verfügen, wenn sie in die zweite Phase des Prozesses eintauchen: die Gruppenarbeiten. Hier erarbeiten sie dann selbstständig neue Ideen und Lösungskonzepte für verschiedene Problemstellungen. Dies fördert nicht nur das kreative und kritische Denken, sondern auch die Kommunikations- und Teamfähigkeit. In der dritten und letzten Phase des Deeper Learning Prozesses präsentieren die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeitsergebnisse oder transferieren ihr neu erlerntes Wissen in Form von eigenen Erfindungen, einer Aufführung, einer Publikation, einer Ausstellung oder ähnlichem in die Praxis. Nach Abschluss dieses dreigliedrigen Prozesses sind die Schülerinnen und Schüler also tief in ein Thema eingetaucht, haben es in seiner Komplexität verstanden und darüber hinaus eigene Ideen und Konzepte entwickelt, mit denen diverse Problemstellungen gelöst werden können. Dieser Ansatz, so erklärt es Anne Sliwka, unterscheidet sich grundlegend von traditionellen Unterrichtsmethoden, die im 21. Jahrhundert teilweise nicht mehr zeitgemäß sind.
Die Art und Weise, wie das Konzept des Deeper Learning an verschiedenen Schulen im Ausland bereits erfolgreich umgesetzt wird, hat Anne Sliwka nachhaltig beeindruckt. Aus diesen Erfahrungen entstand schließlich die Idee, die Deeper Learning Initiative zu gründen. Laut der Professorin handelt es sich dabei um ein Innovationszentrum für die konzeptionelle Weiterentwicklung und wissenschaftliche Erforschung von Lehr- und Lernprozessen, die auf die Pädagogik des Deeper Learning abzielen. Durch die Entwicklung einer zeitgemäßen Pädagogik möchten Anne Sliwka und ihr Team Impulse für die Bildung im 21. Jahrhundert geben. Die grundlegenden Konzepte, die dabei helfen sollen, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, sind bereits erarbeitet. Nun ist es an der Zeit, dass die Bildungspolitik und die Schulen die Ideen, die im Rahmen der Deeper Learning Initiative entwickelt worden sind, in die Praxis umsetzen. Wie erfolgreich dies funktionieren kann verdeutlicht die Arbeit der Deeper-Learning-Innovationsnetzwerke: In Zusammenarbeit mit der Deutsche Telekom Stiftung und der Robert Bosch Stiftung implementieren Anne Sliwka sowie ihre Kolleginnen und Kollegen die Pädagogik des Deeper Learning aktuell an 25 Schulen in ganz Deutschland. Darüber hinaus werden Fortbildungen und Workshops für Lehrkräfte angeboten. Wenn diese Bemühungen fruchten, so hoffen es die Bildungsforscherinnen und -forscher aus Heidelberg, werden in Zukunft auch viele weitere Schulen in Deutschland ihre Lernkultur transformieren.