

Emily Markovic und Lorea Versa studieren im Master Empirische Bildungsforschung und Pädagogische Psychologie und sind beide mehrsprachig aufgewachsen. Im Rahmen eines Seminars kamen sie auf Dr. Till Woerfel zu und führten ein Interview mit ihm zu seiner Arbeit im BMBF-Projekt HSU Interregio, das aktuelle Forschung zu Herkunftssprachen und herkunftssprachlichem Unterricht in verschiedenen Qualifizierungsphasen bündelt. Im Anschluss wurden die Studierenden selbst vom Projektteam interviewt. Was bedeutet es, mit mehr als einer Sprache aufzuwachsen? Welche Bedeutung hat Mehrsprachigkeit für die persönliche Identität – und für berufliche Perspektiven? Ein persönliches Gespräch.
Vanessa David: Ihr habt im Rahmen eines Seminars zur Wissenschaftskommunikation an der Uni Tübingen ein Interview mit Dr. Woerfel geführt. Wie kam es dazu?
Emily Markovic: Wir studieren beide im Masterstudiengang Empirische Bildungsforschung und Pädagogische Psychologie, einem stark forschungsorientierten Programm. Im Rahmen des Moduls „Beraten, Kommunizieren, Anwenden“ bestand die Aufgabe darin, ein wissenschaftskommunikatives Projekt zu realisieren. Dafür haben wir uns für ein Interview entschieden – zum Thema Mehrsprachigkeit, das uns persönlich sehr am Herzen liegt.
Vanessa David: Welche Rolle hat eure eigene Mehrsprachigkeit in eurer Schulzeit gespielt?
Emily Markovic: In meiner eigenen Schulzeit war für meine Mehrsprachigkeit kein Platz in der Regelschule. Sie war kein Teil des Unterrichts – nur gelegentlich konnte ich in Präsentationen kulturelle Aspekte einbringen. Die Idee, Kroatisch als Schulfach zu haben, kam mir nie in den Sinn – es war schlicht nicht vorgesehen.
Vanessa David: Wie nehmt ihr denn das Thema Mehrsprachigkeit heute in eurem Alltag wahr?
Lorea Versa: In meinem Freundeskreis, sind wir fast alle bilingual aufgewachsen, haben das aber kaum reflektiert. An der Universität sind die meisten Kommilitoninnen hingegen monolingual, und Mehrsprachigkeit hat dort selten Platz – außer im Forschungskontext, wo viel mit englischen Texten gearbeitet wird. Während meines Erasmus-Aufenthalts habe ich festgestellt, dass Mehrsprachigkeit in Ländern wie Frankreich einen deutlich höheren Stellenwert hat.
Vanessa David: Welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit eurer Meinung nach für die persönliche und berufliche Entwicklung von Schüler:innen und Studierenden?
Lorea Versa: Mehrsprachigkeit prägt die Identität und fördert wichtige Sprachkompetenzen. Beruflich bietet sie klare Vorteile, da man international besser aufgestellt ist. Persönlich bringt sie Kultur und ganzheitliches Selbstverständnis mit. Wichtig ist, Schüler:innen ein positives Bild von Mehrsprachigkeit zu vermitteln – denn leider wird sie nicht immer wertgeschätzt, besonders bei weniger anerkannten Sprachen oder Herkunftsnationen.
Vanessa David: Das ist ein wichtiger Punkt, den du ansprichst. Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Mehrsprachigkeit, in Hinblick auf Schule und Hochschule und Politik?
Emily Markovic: Für kommende Generationen wünsche ich mir, dass ihre Mehrsprachigkeit gesehen und als Teil ihrer Identität anerkannt wird – und zwar bundesweit. Niemand sollte das Gefühl haben, dieser Teil von sich müsse im schulischen Kontext unsichtbar bleiben. Junge Menschen verdienen es, in ihrer ganzen Vielfalt wahrgenommen zu werden.
Zum Weiterlesen:
- Interview im Online-Magazin schulmanagement
- Website des Projektes HSU-Interregio