Lernen ohne Motivation? Das kann bisweilen ganz schön zäh sein. Wer motiviert ist, lernt wesentlich leichter. Sogenannte Interventionen, kurze Eingriffe in den Unterricht, können hier unterstützen.
Während sich die meisten Schülerinnen und Schüler in den ersten Jahren noch für die Schule begeistern und wissbegierig sind, lässt die Motivation spätestens in der Pubertät bei vielen deutlich nach – zum Leidwesen von Eltern und Lehrkräften. Die gute Nachricht: Man kann daran etwas ändern – die Forschung geht davon aus, dass sich Motivation leichter von außen verändern und formen lässt als beispielsweise grundlegende kognitive Lernvoraussetzungen.
Eine Möglichkeit, die Motivation und damit auch die schulische Leistung zu fördern, sind sogenannte „Interventionen“. Damit sind kurze Eingriffe in den Unterricht gemeint, mit denen sich die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler nachhaltig verändern sollen. Dass das funktionieren kann, weiß man aus der psychologischen Forschung.
Die Interventionen haben beispielsweise das Ziel, den Schülerinnen und Schülern die Relevanz des Lernstoffes aufzuzeigen oder ihnen klarzumachen, dass die Fähigkeit zum Lernen durch Anstrengung veränderbar ist. Das Überraschende ist, das hat die Forschung bereits gezeigt, dass schon solche minimalen Interventionen starke und langanhaltende Effekte auf die schulische Leistung haben können, wenn sie es schaffen, die Einstellung der Schülerinnen und Schüler tatsächlich zu verändern.
Die Wirksamkeit wird überprüft, bevor die Interventionen in der Breite eingesetzt werden
Aber wie lässt sich diese gewünschte Wirkung überprüfen? An dieser Frage arbeiten wir am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, indem wir Motivationsinterventionen entwickeln und direkt in der Praxis, also in der Schule testen. Dabei ist es uns wichtig, die Wirksamkeit der Interventionen unter Beachtung höchster methodischer Standards zu überprüfen, bevor diese tatsächlich in der Breite eingesetzt werden.
Eine erste große Studie dazu haben wir im Schuljahr 2012/2013 mit fast 2000 Schülerinnen und Schülern aus 82 neunten Klassen durchgeführt. Die teilnehmenden Klassen wurden per Zufall einer von drei Gruppen zugewiesen: In zwei Gruppen haben Wissenschaftlerinnen die Intervention durchgeführt, also je eine Doppelstunde zur Relevanz von Mathematik gehalten. Die Schülerinnen und Schüler sollten sich durch persönliche Reflexion mit der Nützlichkeit von Mathematik für ihr weiteres Leben auseinandersetzen – und zwar entweder in einem selbst geschriebenen Aufsatz zu diesem Thema (Gruppe 1) oder indem sie Interviewzitate beurteilten (Gruppe 2, siehe Kasten am Ende des Beitrags). In der dritten Gruppe, der sogenannten Wartekontrollgruppe, nahmen die Schülerinnen und Schüler zunächst nur am normalen Mathematikunterricht teil und erhielten die Intervention zu einem späteren Zeitpunkt, um abzusichern, dass die in den anderen Gruppen erzielten Veränderungen der Motivation auf die Intervention zurückzuführen waren. Um diese Änderungen feststellen zu können, füllten die Schülerinnen und Schüler Fragebögen zu ihrer Motivation in Mathematik aus und bearbeiteten Leistungstests – zuerst vor der Intervention und dann zweimal danach.
Die Schülerinnen und Schüler erkannten den Nutzen für Schule und Leben
Das Ergebnis: Schülerinnen und Schüler in beiden Interventionsgruppen fanden Mathematik sechs Wochen und auch fünf Monate nach der Intervention nützlicher als die Klassen der Wartekontrollgruppe. Schülerinnen und Schüler, die Zitate beurteilt hatten, profitierten dabei noch etwas mehr von der Intervention als Schülerinnen und Schüler, die einen Aufsatz schrieben. Sie erkannten nicht nur den Nutzen des Faches für Schule und Leben, sondern waren auch mit mehr Spaß bei der Sache und schnitten bei einem Leistungstest im Rechnen am besten ab. Außerdem profitierten von der Intervention insbesondere die Mädchen sowie Schülerinnen und Schüler aus Familien mit einem eher geringen Interesse an Mathematik. Mithilfe der Intervention gelang es also auch, Motivationslücken zwischen den Geschlechtern beziehungsweise zwischen Kindern mit einem unterschiedlichen familiären Hintergrund zu schließen.
Positive Effekte auch unter Praxisbedingungen?
Aber zeigt sich die positive Wirkung der doppelstündigen Intervention auch unter Praxisbedingungen, wenn sie also nicht von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführt wird? Das haben wir in einer zweiten großen Studie im Schuljahr 2017/2018 überprüft. Die Doppelstunde wurde dabei von den regulären Mathematiklehrkräften oder von geschulten Masterstudierenden durchgeführt. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich auch dann die Intervention positiv auf den wahrgenommenen Nutzen der Mathematik auswirkt. Die Effekte fallen allerdings etwas geringer aus als in der Vorgängerstudie. Außerdem zeigen sich auch teilweise nicht beabsichtigte Konsequenzen. So berichteten die Schülerinnen und Schüler nach der Intervention eher darüber, dass Mathematik auch mit negativen Emotionen (z.B. Angst) einhergeht.
Geringer Aufwand mit großem Erfolg
Unsere Forschung zeigt, dass kurze Interventionen ein vielversprechendes Mittel sein können, mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand einen relativ großen Erfolg zu erzielen. Allerdings scheinen die Effekte dieser Interventionen auch von vielen Faktoren abzuhängen. Wir haben beispielsweise festgestellt, dass sie häufig nur für einen Teil der Schülerinnen und Schüler funktionieren. Daher wollen wir in der Zukunft untersuchen, wie sich solche Interventionen gezielt auf die Interessen und Bedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler anpassen lassen. Mittels digitaler Technologien könnten solche adaptiven Motivationsinterventionen dann leicht in den Unterricht integriert werden.
„Das logische Denken, das man in Mathe lernt, ist in vielen Berufen eine Grundvoraussetzung. Aber in einem gewissen Alter, so mit 15 oder 16, da weißt du das nicht. Da denkst du dir, ‚Mit Mathe will ich nie mehr was zu tun haben!‘ Und wenn du dann später doch was Bestimmtes lernen willst oder studieren, Psychologie oder Wirtschaftswissenschaft zum Beispiel, dann fehlen dir plötzlich die Grundlagen dazu, und du denkst, ‚Oh Gott, hätte ich früher bloß mehr aufgepasst!‘ Denn was man schon früher verschlafen hat, ist später schwer, aufzuholen, da braucht man halt eisernen Willen dazu.“ (Diana, 20 Jahre, Psychologiestudentin)
In der Intervention beurteilten die Schülerinnen und Schüler unter anderem Interviewzitate wie dieses.