Räumliches Denken im Grundschulalter

Von Fanziska Rebholz

Egal, ob eine Karte gelesen, ein Zimmer umgeräumt oder ein Kofferraum beladen werden soll – für all diese und viele andere Herausforderungen im Alltag wird gutes räumliches Denken benötigt. Ergebnisse aus internationalen Studien deuten sogar darauf hin, dass gutes räumliches Denken Erfolg in naturwissenschaftlichen Disziplinen vorhersagt.

Was aber ist räumliches Denken? Können Grundschulkinder bereits komplexe Aufgaben zum räumlichen Denken lösen? Und wenn ja, wie lösen Dritt- und Viertklässler solche Aufgaben? Welche Lösungsstrategien nutzen sie bei der Bearbeitung der Aufgaben?

Zur Beantwortung all dieser Fragen haben wir im Frühjahr 2017 an 24 Grundschulen in Baden-Württemberg insgesamt 78 Klassen und damit 1048 Dritt- und Viertklässler befragt. Innerhalb einer Doppelstunde haben die Schülerinnen und Schüler Aufgaben zum räumlichen Denken (Papierfalt- und Würfelrotationsaufgaben), zur Erfassung basaler numerischer und kognitiver Fähigkeiten sowie mathematischer Kompetenzen bearbeitet. Basierend auf den Ergebnissen unserer Befragung können wir erste Überlegungen dazu anstellen, wie die Förderung räumlichen Denkens bei Grundschulkindern aussehen und damit den Erfolg in naturwissenschaftlichen Disziplinen verbessern könnte.

Räumliches Denken – wie lässt es sich messen?

Im Allgemeinen ist es schwierig zur Erfassung räumlichen Denkens von Grundschulkindern geeignete Tests zu finden. Basierend auf den Ergebnissen einer Pilotstudie im Sommer 2016 haben wir in der aktuellen Studie etablierte Tests zur Erfassung räumlichen Denkens bei Jugendlichen und Erwachsenen für das Grundschulalter angepasst und eingesetzt. In einem Test wurden die Kinder dazu aufgefordert, sich das Falten eines Papiers nach bestimmten Regeln vorzustellen und zu überlegen, wo sich nach dem Auffalten gekennzeichnete Löcher befinden müssen. Im zweiten Test wurden den Kindern zwei Würfelbauten präsentiert, über deren (Un-)Gleichheit entschieden werden musste.

Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl Dritt- als auch Viertklässler Aufgaben zum Papierfalten und Würfelrotieren gut lösen können. Insgesamt lassen sich jedoch interindividuelle Unterschiede im räumlichen Denken bereits in der Grundschule feststellen – sowohl bei den Papierfalt- als auch bei den Würfelrotations-Aufgaben erzielten die Kinder sehr unterschiedliche Leistungen.

Räumliches Denken – wie werden die Aufgaben gelöst?

Zum Lösen von Aufgaben, die räumliches Denken erfordern, werden verschiedene Lösungsstrategien genutzt. Dabei werden holistische und analytische Lösungsstrategien unterschieden. Wird zur Lösung der Aufgabe eine holistische Strategie genutzt, so wird das Objekt in Gedanken rotiert oder die eigene Person mental um das Objekt herumbewegt. Bei Aufgaben zum Würfelrotieren könnte diese Strategie beispielsweise beschrieben werden durch die Aussage: „Ich habe eine oder beide Figuren im Kopf gedreht“.

Wird hingegen eine analytische Strategie genutzt, werden spezifische Charakteristika des Objekts verglichen und analysiert. Eine mögliche Beschreibung dieser Strategie beim Lösen von Würfelrotationsaufgaben lautet beispielsweise: „Ich habe die Würfel gezählt und die Anzahl verglichen“.

Die Kinder in unserer Stichprobe berichten überwiegend, eine holistische Strategie verwendet zu haben. Dabei lösen Kinder, die eine holistische Lösungsstrategie wählen, im Schnitt deutlich mehr Aufgaben als Kinder, die eine analytische Lösungsstrategie verwenden. Unsere Ergebnisse stimmen somit mit Ergebnissen aus der Forschung überein, die darauf hindeuten, dass die Verwendung einer holistischen Strategie positiv mit dem Lösen einer räumlichen Aufgabe zusammenhängt.

Anknüpfend an diese Ergebnisse könnte man sich nun die Frage stellen, ob die Förderung holistischer Lösungsstrategien zur Verbesserung räumlichen Denkens und damit auch zur Verbesserung der Schülerinnen und Schüler im naturwissenschaftlichen Bereich beitragen könnte. Um diese Frage zu klären, sind zum jetzigen Zeitpunkt noch weitere Studien notwendig.

Über die Autorin:

Fanziska Rebholz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung. Im Rahmen von LEAD promovierte sie zu dem Thema „Fostering Mathematical Comepetences by Preparing for a Mathematical Competition“.

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